Mehr Jugend in die Synode

Ein Blick über den Tellerrand

Informationen zur RVA-Sitzung am 22.9.2022

Evangelische Kirche von Westfalen

Die Evangelische Kirche von Westfalen hat im Juni 2022 auf ihrer Synode ein Erprobungsgesetz verabschiedet, das von 2022 bis 2032 gültig ist: https://www.kirchenrecht-ekvw.de/document/50121

Dieses Erprobungsgesetz sieht die Berufung junger Mitglieder (18-27 Jahre) in alle Gremien der Kirche, von Presbyterium bis hin zur Synode und Kirchenleitung vor. Die Berufung erfolgt in Absprache mit der Evangeli-schen Jugend der jeweiligen Ebene. Die jungen Menschen haben dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen Mitglieder der Gremien, jedoch in manchen Fällen eine verkürzte Amtszeit (4 statt 8 Jahre).

Darüber hinaus wird vorgeschlagen, das Mindestalter von 18 Jahren zur Wählbarkeit als Presbyter*in nicht am Wahltag, sondern am Datum der Amtseinführung festzumachen. Es gibt keinen Grund, warum die Kandidierenden schon am Wahltag volljährig sein müssen. Dies ist erst wichtig ab Aufnahme der Amtsgeschäfte. So kann das Mindestalter des passiven Wahlrechts ohne negative Nebenwirkungen noch einige Monate gesenkt werden.

Folgende Erkenntnis aus Westfalen mag für unsere Überlegungen hilfreich sein1:

Lutherischer Weltbund

Seit der 7. Vollversammlung des LWB 1984 (das ist bald 40 Jahre her!) in Budapest (Ungarn) sind die Mitgliedskirchen aufgerufen, die Beteiligung Jugendlicher und junger Erwachsener unter 30 Jahren an ihren Entscheidungsprozessen mit einer Quote von 20 Prozent zu ermöglichen. Zuletzt hieß es auch in einer ent-sprechenden Resolution der 12. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB), die 2017 in Windhuk (Namibia) stattfand2:

Evangelische Kirche im Rheinland

Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) hat 2019 einen groß angelegten Prozess gestartet, um mehr Partizipation junger Menschen an Entscheidungen der Evangelischen Kirche zu erzielen. Hierfür wurde eine breit angelegte Studie durchgeführt, in welcher Probleme benannt und Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden.

Hier ein Beispiel3:

Diese Studie zeigt zahlreiche weitere Problemfelder und Lösungsvorschläge auf, wie eine Gremienkultur geschaffen werden kann, in der sich junge Menschen willkommen und ernst genommen fühlen und wie Partizipation an kirchlichen Entscheidungsprozessen mit der Lebensrealität junger Menschen vereinbar ist. Von derartigen Veränderungen der Gremienkultur profitieren nicht nur junge Menschen, sondern ALLE Mitglieder der Gremien.
 

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

„Über eine Änderung der Kirchenverfassung erhalten die zukünftigen drei Jugendsynodalen volles Stimmrecht. Die bayerische Synode setzt sich derzeit (2017) aus 108 Synodalen zusammen. Zusätzlich zu zwei gewählten Synodalen unter 30 Jahren, die aktuell Mitglieder der Synode sind, kommen somit auf der nächsten Tagung die drei Jugendsynodalen hinzu.“4


Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens

„Die Synodalen der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens brachten zwei Beschlüsse auf den Weg. So soll bis zur Frühjahrstagung 2018 eine Gesetzesvorlage erarbeitet werden, die einen festen Berufungsplatz für Jugendvertretungen in den Kirchenvorständen und zwei in Bezirkssynoden vorsieht.
Bisher war für diese Gremien eine Berufung möglich, allerdings unter der Überschrift „Berücksichtigung der Vielfalt des kirchlichen Lebens.“ Damit war es für junge Menschen unter 30 eher schwierig, einen Platz im Kirchenvorstand oder der Kirchenbezirkssynode zu bekommen.
Auf der Ebene der Landessynode hat die Kirchenleitung die Vorsitzende der Landesjugendkammer als ordentliches Mitglied berufen. Außerdem sind dort derzeit zwei weitere gewählte Mitglieder unter 30 Jahren im Plenum vertreten. Die Landessynode besteht aus 80 Mitgliedern.
Eine weitere Gesetzesvorlage wurde in Auftrag gegeben, die das passive Wahlalter für die Mitarbeit in Gre-mien der Landeskirche auf 16 Jahre herab- und 69 Jahre heraufsetzt. Dies ermöglicht es jungen Menschen ab 16 Jahren, sich für Plätze in kirchliche Gremien zur Wahl zu stellen. Bisher war dies erst ab 18 Jahren möglich.“5
 

Fazit

Die Themen „mehr Jugendbeteiligung in Entscheidungsgremien der Kirche“ und „Änderungen in der Gremien-kultur“ liegen in der Luft. Es gibt sehr gute Ansätze aber auch noch viel Luft nach oben. Die Evangelische Kirche in Österreich hat also durchaus eine Chance, in dieser Thematik eine Vorreiterrolle einzunehmen, muss das Rad aber nicht neu erfinden, sondern kann auf Erkenntnisse und Umsetzungsbeispiele z.B. aus Westfalen oder dem Rheinland zurückgreifen.

Was wir uns für Österreich wünschen

Die Gremien der evangelischen Kirchen Österreichs sollten nach Möglichkeit die Kirche selbst widerspiegeln. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten rund 30% der Synodalen unter 30 Jahre alt sein. Dass dies ein zu hoch gestecktes Ziel ist, ist uns aber völlig bewusst.
Der Lutherische Weltbund, dem die evangelische Kirche A.B. angehört, forderte aber bereits 1984 eine Jugendbeteiligung von 20% auf allen kirchlichen Ebenen. Dieses Ziel ist aus Sicht der Evang. Jugend äußerst erstrebenswert, aber uns ist auch bewusst, dass dies nicht ganz einfach zu gewährleisten ist. Daher haben wir verschiedene, aus Sicht der Jugend realistische Varianten zur gerechteren Jugendbeteiligung in der Kirche ausgearbeitet.
Details dazu: siehe Handout mit konkreten Vorschlägen für Kirchenrechts-Änderungen.
Parallel zu den kirchenrechtlichen Änderungen ist aber eine Änderung der Gremienkultur wichtig, damit junge Menschen (und auch ältere Mitglieder) Freude daran haben, durch ihre Mitwirkung in Entscheidungsgremien Kirche aktiv mitzugestalten.


1 Auszug aus dem Brief mit Bitte um Stellungnahme zum Jugendbeteiligungs-Erprobungsgesetz, Zeichen 270.01 vom 6.10.2021
2 Auszug aus der „Resolution zur Jugendpartizipation“ der 12. Vollversammlung des LWB in Windhuk (Namibia)
3 Auszug aus der Broschüre „Jugend will mitgestalten – Ergebnisse einer Studie“ der EKiR vom August 2020 (https://www2.ekir.de/publikationen/jugend/, abgerufen am 21.9.2022)
4 Quelle: https://de.lutheranworld.org/de/content/die-stimme-von-menschen-unter-30-hoeren-146 (abgerufen 21.9.2022, Artikel vom 18.12.2017)
5 ebd.